man spricht über ArbeiT

Festivalblog www.die-junge.buehne.de von David Heiligers

Unidram Festival 2013 - der 5. Tag | Antriebe SPIELFREUDE

Man muss automatisch an Sisyphos denken, wie er mit Mühe seinen Felsblock auf den Berg hinaufrollt, wenn man Roman Müller zusieht wie er entweder aus langen Schilfrohren ein Skelett baut oder Kugeln und Diabolos hinterhechelt. Arbeit heißt das Stück der Schweizer Gruppe Tr’espace, welches gestern und vorgestern in der Reithalle des Hans-Otto-Theaters zu sehen war. Und es ist wirklich ein Stück Arbeit, diese Performance. Wie im Labor von Daniel Düsentrieb gelandet fühlt man sich als Zuschauer den Raum betretend, in dem allerlei merkwürdige spannende Maschinen stehen und schon fleißig gearbeitet wird. Na ja, eigentlich spielen und basteln sie eher, die Jungs dort unten in ihrer ganz eigenen Welt. Eine barfüßige Frau im schwarzen Abendkleid gesellt sich irgendwann dazu und spielt schöne klassische Melodien auf dem Flügel im Hintergrund. Und so wird man ganz unmerklich mit hineingezogen in diese Welt, in der alles möglich scheint. Man träumt mit, man denkt mit, man fiebert und zittert mit, man freut sich mit. Allerlei Experimente bestimmen den Abend der Denker, Jongleure und Bastler (wie sie sich selber bezeichnen), die immer absurder und wagemutiger werden und nachträglich beschrieben der Faszination, die sie ausstrahlen, überhaupt nicht gerecht würden. Tr’espace erzählen dabei und mit Hilfe ihrer vielen Gerätschaften ganz leichtfüßig eine mögliche Entstehungsgeschichte und die Evolution von Arbeit. Sie suchen, üben, scheitern, versuchen wieder. Höher, schneller, weiter. Sie lernen, sie verbessern, sie perfektionieren. Die Nähmaschine wird zum Pferd und anschließend zum Multifunktionsinstrument. Effektivität bestimmt das Handwerk. Und was im Spiel begann, spielerisch und ganz ohne Zwang, mündet in einem fremdbestimmten Produktionszwang, der keine Zeit mehr lässt für Spiel. Die Maschinen, die einst dazu erdacht waren dem Menschen das Leben zu erleichtern, machen es irgendwann nur noch komplexer. Sie entwickeln ein Eigenleben und übernehmen das Kommando. Der Mensch steht gestresst, überfordert und überflüssig daneben und wundert sich über die Geister, die er rief. Da hilft nur: Stecker ziehen, Maschinen aus. Plötzlich ist sie wieder da: die Zeit für Spiel, Leichtigkeit, Musik. Und die Zeit diesen drei Menschen auf der Bühne zuzuschauen und sie zu bewundern für diese poetischen, naiv-verträumten Bilder und Klänge, die sie da schaffen, und hinter denen jede Menge Arbeit steckt.

„Wirklich Klasse“ Christian Strüder. Flottmann-Hallen Herne(März 2013)

„Fantastisch“ Heike Pohl, Int Kleinkunstwochen Schwerte(März 2013)

Herbert Hermes, Schwerter Rundschau (März 2013, Auszüge)
Ist Muße im Zeitalter der Leistungs- und Erlebnisgesellschaft nicht eher ein belächeltes Symbol für Stillstand und nervige Langeweile? Am Ende eines bezaubernden, poetischen und überbordernd einfallsreichen Programms der schweizerischens Compagnie Tr’espace bei den Kleinkunstwochen versinkt das Arbeitsreich aus einem wimmelnden Geflecht an Strippen, Drähten und Apparaten, aus abstrusen mechanischen Vorrichtungen und Maschinen im Stand-by-Modus. Einzig das leise Schnurren einer Maschine ist zu vernehmen, die unaufhörlich drei Diabolos auf einer kreisförmigen Bahn bewegt, und ein winziges rotes mechanisches Klavier erzeugt blecherne Töne. Roman Müller, virtuoser, genialischer Herrscher dieses Universums, blickt sichtlich zufrieden und fast trimphal ins Publikum. Die Arbeit ist überwunden … ein höchst intensives und ungewöhnliches Seherlebnis, das sonst nur im Cirque Nouveau oder Varieté möglich ist … als Kinderspielzeug ist das Diabolo in Vergessenheit geraten, als Jonglierwerkzeug reines Nummernprogramm, als Ausdrucksmedium im Theater oder Zirkus nie zu sehen. Hier setzt Tr’espace Maßstäbe. Bezaubert, verblüfft, begeistert. Ein Kleinod …

Roger Leroux, Intendant von Cirque Théâtre Elbeuf FR nach Aufführungen in seinem Haus im Januar 2013: ArbeiT – das Stück verdient seinen Namen! ArbeiT ist auf den Punkt, fertig, sensibel, anspruchsvoll, komisch. Ein gutes Stück, ein orginelles Stück, ganz nah am Publikum, das konzentriert zuschaut. Gebt ArbeiT die Chance, die das Stück verdient!

Gabi Keast, Kaskade 109 (Jan 2013 - Auszüge) : Roman Müller hat eine Theaterperformance geschaffen, die fasziniert, überrascht, begeistert und nachdenklich macht. Romans Diabolospiel steht nicht immer im Vordergrund, aber es gibt Szenen in denen man alle Fassetten seines Können ausgiebig bewundern und genießen kann. … Am Ende kam mich für gleich die Frage auf : Können solche kreative Künstler überhaupt je ein geruhsames Leben finden? Nicht die Arbeit treibt, sondern die Ideen und die eigene Besessenheit von der Kunst. Anders wäre eine solche Performance nicht möglich. Und zum Glück für das Publikum sind diese Künstler unersetzlich. Sorry, Roman, du musst weitermachen …

Ueli Hirzel, Schweizer Pionier des Neuen Circus nach einer Werkstatt-Präsentation im Mai 2011 am Ende des ersten Arbeitsaufenthaltes im Château de Monthélon (FR): Gestern hat Roman uns einen schönen Abend beschert, es ist ihm gelungen uns in sein Universum zu entführen, spielerisch und humorvoll, aber auch tief faszinierend und berührend. Es war so wie ich es mir wünschte, einer dieser privilegierten Augenblicke in denen man Einblick in Arbeitsprozesse erhält und künstlerische Arbeit einfach und unprätentiös gegenwärtig ist.

Das wird eine ganz schöne Geschichte.