Le Cercle: Das Stück

Der Titel Le Cercle, der Kreis, bezieht sich zunächst einmal auf den Bühnenraum, für den das Stück konzipiert ist : einen runden, leeren Raum.
Aber auch auf das Objekt Diabolo selbst, das ja, wie oben bereits erwähnt, einer Kugel entspringt, einer runden Form also. So beginnt das Stück dann auch: weiße Kugeln rollen über die Bühne und durchqueren, imaginäre Linien ziehend, den Raum. Dann aber teilen sich die Kugeln in zwei Hälften, die eigenständig weiterrollen, und nun nicht mehr Linien beschreiben, sondern Kreise.

In Nexon bin ich in einen magischen Kreis getreten…. …die drei Artisten hauchen ihren Objekte und Acessoires, Leben ein, man glaubt beinahe, diese seien ihre Diener, so sehr gelingt die Illusion, sie seien lebendig. In „Le Cercle“ gibt es keine Unstimmigkeiten, alles unterliegt einer harmonischen Richtigkeit: Diabolohälften zeichnen imaginäre, wunderbare und regelmäßige Kreise auf den Boden um erstaunlicherweise immer wieder in die Hand desjenigen zurückzukommen, der sie ins Rollen brachte. Genauso die Diabolos selbst: sie kreisen und drehen unablässig und finden wie von Zauberhand immer wieder in die Schnur zurück.
Die Entwicklung des Objekts Diabolo, über Kugeln, Hälften, Kreisel etc. und die dramaturgische Arbeit der Artisten verbindet sich und wird zum roten Faden des Stücks: Bezüge werden geknüpft und entfalten die Geometrie des Raumes. Nähe und Distanz, Gleichgewicht und Ungleichgewicht sind hier die Protagonisten.
Dieses Stück ist weit mehr als eine Stilübung, es ist das Heraufbeschwören eines wunderbares Universums, das weder Konfrontation noch Witz entbehrt. Körper streifen sich, tanzen leichtfüßig über die Bühne, nie ist die Akrobatik fern, und immer wieder, im Licht - perfekt gestaltet von Laurent Béal - taucht ein Diabolo auf.

Musik und Jonglage haben in Le Cercle die gleiche Wichtigkeit. Der Kontrabass fungiert hier nicht einfach nur als Musikinstrument, sondern wird Teil der Choregraphie, wird zum Objekt, zum Bühnenbild, zum Akteur. Zeitweise findet sogar ein Rollentausch statt: der Kontrabass wird zum jonglierten Objekt, während das Diabolo zum Musikinstrument wird. Wenn man ein drehendes Kreiseldiabolo beispielsweise auf den Korpus des Kontrabasses stellt, werden die Vibrationen, die durch die Rotation entstehen, durch den Resonanzboden verstärkt und dadurch hörbar.
Die Musik ihrerseits wird zeitweise geloopt, also aufgenommen und immer wiederkehrend, kreisend, gespielt. Ein weitere Facette des Themas Kreis. Der Kontrabassist ist genial in diesem Stück : indem er seine Musik mit einer Sound Machine bearbeitet und alle klanglichen Möglichkeiten seines Instrumentes ausnützt, begleitet er seine beiden Partner mit Kraft und Meisterhaftigkeit : das heißt, daß auch er im Verlauf des Stückes eine Entwicklung durchläuft und sogar zeitweise jongliert, ja sogar tanzt, um schließlich mit den Körpern der beiden anderen zu einem sehr ästhetischem Ballet zu verschmelzen. Wie die Diabolos so scheint auch der Kontrabass lebendig und teil der Choreographie zu werden.

Das Publikum sitzt um die Bühne herum und formt auch seinerseits einen Kreis. Es gibt weder ein Vorne noch ein Hinten, weder einen Ein- noch einen Ausgang. Jeder hat seinen ganz persönlichen Sichtwinkel auf das Stück, und gleichzeitig sind alle nah. Die Nähe des Geschehens und der Akteure, ihr hörbarer Atem, der Luftzug eines Diabolos, das vorbeisaust, die spürbaren Schwingungen einer Kontrabassseite, all das ist nicht abstrakte und distanzierte Ästhetik, sondern unmittelbar spürbare Schönheit. , etwas, das einen wichtigen Teil des zeitgenössischen Zirkus für uns ausmacht. Auch andere Instrumente tragen zur Schönheit dieses Stücks bei : eine kleine Spieluhr, die uns daran erinnert, das wir uns in einem Traum befinden, bunte Glöckchen und eine Trommel, die, vom Himmel herabzusinken scheint, leuchtend wie der Mond, der draußen das Zelt bescheint. Sie dient als Boden einer phantastischen Szene, in der Diabolos auf ihr tanzen in einem virtuosem Duell.
Bis zur letzten Szene und auch nach langem Applaus umschließt uns die Magie des « Kreises » wie ein wohliger Nebel und klingt in uns nach bis wir uns schlafen legen, verzaubert von diesem wunderbaren Stück.
Laurent Bourdelas, 20.08.2005

Le Cercle ist das Ergebnis einer langen Recherche um das Diabolo und das erste Mal, daß dieses Objekt Protagonist eines einstündigen Stückes ist.