Wege der Müllers

In kursiv: Zitate von Jean Michel Guy (Kritiker und Kenner des Zeitgenössischen Zirkus, arbeitet für das Kulturministerium in Frankreich) Er verfolgt die Wege von Jörg seit 1994 und von Roman seit 2001
 
Jörg wächst in Deutschland auf, Roman in der Schweiz, beide jonglieren von Jugend an.
 
Ihre Begegnung scheint logisch: Ihre gemeinsame Sprache (Deutsch), ihre gemeinsame Wissenschaft der Jonglage, ihre Erfahrung der Andersartigkeit (in anderen Sprachräumen arbeiten und leben), ihre feine Verrücktheit.
 
Erster absolviert das CNAC Centre National des Arts du Cirque (Staatliche Hochschule für Circus) in Frankreich, zweiter die Scuola Teatro Dimitri in der Schweiz.
 
Ihre gemeinsame Basis: Die in sich widersprüchliche Ausgangslage aus Altem Neues zu kreieren und Sakrosanktes und Profanes zu mischen. Weder Roman noch Jörg sind in ihrer Ausbildungszeit auf den ersten Blick gesehen Revolutionäre. Doch beide entdecken das Experiment als ihre persönliche Spielfläche und suchen, ohne genau zu wissen, wohin ihre jeweilige Reise führt. Sie wissen nicht genau, was sie tun, falls ich dies so sagen darf. Sie tun es einfach.
 
Beide entwickeln eigenständige Formen der Jonglage. Jörg beschäftigt vor allem die horizontale Manipulation mit um ihn herum schwebenden Röhren, Roman gestaltet das Spiel mit dem Diabolo auf eine neue, bahnbrechende Weise.
 
Beide sind auf derselben Augenhöhe. Vor Roman war das Diabolo immer nur ein Spiel, Jörgs pendelnde Jonglage unentdeckt. Vor ihnen hat man beides so noch nie gesehen!
 
Beide Formen kreisen, drehen sich unablässig.
Eine Schlichtheit, die Reduktion aufs wesentliche verbindet sie.
 
Zwei Genies. Doch meines Erachtens ist nicht dies das Verbindende, nicht ihre Muttersprache, auch nicht die Jonglage. Es ist ihr Lachen.
 
Ihre Wege kreuzen sich selten. Während Jörg sich in der Internationalen Performance Welt seine Nische schafft, durchwandert Roman die Zirkuswelt mit all ihren Facetten.
 
Roman lacht, über das Leben, über sich, weniger aus Ironie als aus der Freude heraus. Nicht dass kein Unglück da wäre, oder keine Tragik, doch diese wirft er in seine Kunst, und da ist er gross drin.
Jörg versteckt sein Spiel, praktisch permanent. Lacht, amüsiert sich, feiert, und zum Denken versteckt er sich fast. Dies tut er viel. Und er bewegt sich fantastisch.
 
Beide entwickeln ihre ganz persönliche Sprache, ihre Bühnenidentität und ihre künstlerische Visionen.
 
Ein positiver Zynismus oder ein kritischer Optimismus?
 
Stets hören sie voneinander.
Im März 2015 arbeiten sie zum ersten Mal zusammen.

Aber es ist auch schwierig sich die beiden zusammen vorzustellen, beide sind für sich bereits eine „Einheit“, ein in sich Ganzes. Somit blicke ich mit Enthusiasmus auf diese Begegnung, aber auch mit einem leisen Zweifel.
 
MüLLER / MüLLER ist wie eine Notwendigkeit.